Die Abschaffung des Asylrechts im Sinne der Menschen Deutschland: Asyl – wenn Täter sich als Opfer gebärden

Politik

Mit seinem Vorstoss zur Abschaffung des Individualrechts auf Asyl hat der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU- Bundestagfraktion die Debatte um das Asylrecht wieder einmal angefacht.

Ungarische Grenze zu Serbien in der Nähe von Mórahalom.
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Ungarische Grenze zu Serbien in der Nähe von Mórahalom. Foto: Pudelek (CC-BY-SA 4.0 cropped)

8. August 2023
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So sieht sein Kontrahent, der SPD-Fraktionsvize Wiese, „eine wichtige humanitäre Errungenschaft, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund nach dem zweiten Weltkrieg dort installiert haben“ (SZ 19.7.2023) in Gefahr. Dabei scheint dieses Recht offensichtlich sehr dehnbar zu sein, ist es doch beständig Gegenstand von Veränderungen, von daher lohnt es sich schon, dieses Recht genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Grundrecht auf Asyl

Nach der Aufnahme des Asylrechts ins Grundgesetz ist Deutschland auch der UN-Flüchtlingskonvention beigetreten. Der entsprechende Paragraf beinhaltet: „Das Asylrecht hat in Deutschland als Grundrecht Verfassungsrang. Es dient in seinem Kern dem Schutz der Menschenwürde, schützt aber auch das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und andere grundlegende Menschenrechte. Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländerinnen und Ausländern zusteht.“ Schon die Menschenwürde, die mit diesem Recht geschützt wird, scheint ein seltsames Ding zu sein, denn wann ist sie in Gefahr? Man braucht nur auf die Praxis der Behandlung von Flüchtlingen zu schauen, so hilft die Menschenwürde diesen wenig, schliesst doch die Menschenwürde ein Ertrinken im Mittelmeer so wenig aus wie ein Erfrieren in den Wäldern an den Grenzen zu Polen.

Die Menschenwürde ist offenbar etwas, das den Menschen nicht selbstverständlich zukommt, wie es der Begriff eigentlich nahelegt, sondern diese Würde bedarf offenbar immer einer Schutzmacht, die diese Würde gewährt. Damit ist sie auch nicht automatisch etwas, das den Menschen auszeichnet, sondern etwas das Staaten verleihen oder nicht, ganz entsprechend ihrer Kalkulation. So ist es mit dem Schutz des Lebens auch nicht weit her, wenn die Menschen durch Wehrpflicht in den Krieg gezwungen werden und ihr Leben für ihren Staat opfern müssen. Ihre Menschenwürde wird durch Kriegerdenkmale geehrt, auf denen die Lüge steht, sie hätten ihr Leben für ihr Land gegeben, als ob dies ihre freiwillige Entscheidung gewesen wäre.

Was den Menschen an Freiheiten zugestanden, also erlaubt ist, und was nicht, entscheiden in jedem Land die Regierenden, die auch für die Gültigkeit dieser Gesetze eintreten und so die Erlaubnis zu etwas erteilen. Dass Ausländer damit eine Garantie für irgendetwas erhalten würden, was für sie von Interesse ist, ist aus diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Mit dem Asylrecht legen vielmehr Staaten fest, für welches Land sie deren Bürger als lebenden Beweis für die Unrechtmässigkeit der dortigen Regierung nehmen wollen. So kann sich ein Snowdon oder Assange nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen oder auf die Tatsache, dass sie politisch verfolgt werden.

Ein Asylgrund in Deutschland ist damit nicht gegeben, erfolgt die Verfolgung doch durch die USA, der dieses Recht zugestanden wird. Anders sieht dies für Menschen aus Russland aus, wobei diese sich als Gegner der dortigen Regierung hervorgetan haben müssen, ansonsten stehen sie eher unter Spionageverdacht. Mit dem Asylrecht schwingen sich die Staaten zum Richter über andere Staaten auf, denen sie die Rechtmässigkeit zum Regieren ihres Volkes absprechen oder erteilen. Sich selber schmücken sich die Staaten, indem sie bekunden, ganz auf Seiten der Unterdrückten und Verfolgten zu stehen – dann wenn es ihnen passt.

Mit der UN-Flüchtlingskonvention erfolgt zudem eine Klarstellung; „Die Genfer Flüchtlingskonvention – ist entgegen weit verbreiteter Annahme – nicht pauschal auf Kriegsflüchtlinge anwendbar, ausser bei den nachstehend aufgeführten spezifischen Fluchtgründen, die sich fallweise auch aus Kriegen oder Bürgerkriegen ergeben können. Auch Fluchtbewegungen durch Naturkatastrophen und Umweltveränderungen stehen ausserhalb des Schutzes durch die Konvention.“(Wikipedia)

Zu den spezifischen Fluchtgründen gehören Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und politische Überzeugung. Also einfach wegen den Gräueln eines Krieges oder der üblichen wirtschaftlichen Notlage im Lande zu fliehen, fällt nicht unter das Asyl-Recht oder die UN-Flüchtlingskonvention und von daher wird immer wieder nicht mehr von Flüchtlingen, sondern von illegalen Migranten gesprochen. Ihre Not ist eben keine, die zu irgendetwas berechtigt.

Die Abschaffung des Asylrechts im Sinne der Menschen

Als Unmensch will der Parlamentarische Geschäftsführer mit seinem Vorschlag natürlich nicht dastehen: „Frei argumentiert, dass das geltende Asylrecht zu einer zutiefst inhumane Auswahl führe: „Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos“, könne sich nicht auf den Weg aus Afghanistan oder durch die Wüste Afrikas und über das Mittelmeer machen.“ (SZ 19.7.2023) Statt des Individualrechts soll ein Kontingent von Flüchtlingen aus dem Ausland aufgenommen und auf die Staaten Europas verteilt werden. Dass dies ausgerechnet den Alten, Schwachen, Armen und Kranken helfen werde, bleibt wohl das Geheimnis des CDU-Politikers, der eben auch etwas anderes im Auge hat: „Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen.“ (SZ, 19.7.23)

An diesem Umgang mit Flüchtlingen hat der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion nichts auszusetzen, sondern daran, dass sie zur Abwehr von Flüchtlingen nichts taugt: „Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, nennt den Vorschlag „realitätsfremd“. Er gehe zudem ins Leere, da er die illegale Migration nicht stoppen werde.“(SZ, 19.7.23) So präsentieren sich Regierung und Opposition als geeint im Anliegen, Flüchtlinge aus Europa fernzuhalten und wissen sich in diesem Anliegen einig mit der EU: „Die Europäische Union ist bereits dabei, Asylregeln drastisch zu verschärfen. Ankommende Menschen aus als sicher eingestuften Staaten sollen in abgeriegelten Aufnahmeeinrichtungen kommen, in denen in wenigen Wochen über die Asylanträge entschieden wird. Ausserdem wurde mit Tunesien ein Abkommen unterzeichnet, um die Migration in die EU zu erschweren und Menschen rascher zurückzunehmen.“ (SZ, 19.7.23)

Europäische Politiker haben es fast geschafft, dass alle angrenzenden Staaten des Mittelmeers zu Flüchtlingshäschern im Auftrag der EU werden. Die Werteorientiere Aussenpolitik findet sich dort wieder im Bündnis mit Autokraten wie Erdogan, einem Putschisten wie den Präsidenten von Ägypten oder War-Lords in Libyen. Angeführt wird die feministische Initiative von der Postfaschistin und Ministerpräsidentin Italiens, Georgia Meloni und der Präsidentin der EU Ursula von der Leyen. Flüchtlinge, die nur noch Migranten genannt werden, haben kaum noch eine Chance, europäischen Boden zu erreichen. Dies gilt dann ebenfalls als ein Akt der Humanität, weil so weniger Menschen im Mittelmeer ertrinken werden.

Was örtlichen Machthaber mit diesen Menschen anstellen, ist dann gelegentlich Gegenstand von bedauernden Meldungen über misshandelte Menschen in libyschen Lagern oder verdurstenden Flüchtlingen, abgeschoben aus Tunesien in die Sahara. Aber was sollen europäische Politiker auch machen, angesichts der Flüchtlingsströme: „Das jetzige System führe zur „Überforderung unserer Gesellschaften, zur Zerstörung dessen, was das Asylrecht gewähren will: ein Europa als Zufluchtsort für schutzbedürftige Menschen“. (Frei, SZ 19.7.2023) Europa kann sich offenbar am besten als Zufluchtsort von schutzbedürftigen Menschen präsentieren, wenn es keine mehr reinlässt. Und so demonstrieren Politiker, dass das Asylrecht ihrer Selbstdarstellung dient, und sie präsentieren sich als die wahren Opfer der Elendsströme, die mit ihnen nichts zu tun haben sollen.

Die Beseitigung von Fluchtgründen

Diese Forderung gilt als eine Alternative zur herrschenden Asylpolitik. Wobei die Bandbreite dessen, was unter Fluchtgründen zu verstehen ist, breit ist. So sehen vor allem Konservative Politiker im deutschen Sozialrecht einen zu grossen Anreiz für Flüchtlinge und einen Flüchtlingsgrund (Boris Rhein, Bild am Sonntag 23.7.23) und es ist bereits Praxis, Flüchtlinge und Asylbewerber eine Sonderstellung zu verschaffen, die ihnen das Leben in Deutschland schwer machen sollen durch ein eigenes Asylbewerberleistungsgesetz mit verminderten Leistungen und statt Geld Sachleistungen.

Als weitere Adresse im Kampf gegen die Fluchtgründe gilt der Kampf gegen Schleuser, denen das Handwerk durch die Potentaten an der anderen Seite des Mittelmeers gelegt werden soll. Andere fordern mehr wirtschaftliche Unterstützung für die Länder, aus denen Flüchtlinge stammen und das sind überwiegend Länder der Subsahara und Länder in denen der Westen weitgehend durch Krieg die Lebensgrundlage für viele Menschen zerstört hat wie Afghanistan, Syrien, Irak oder Libyen. Dabei könnte denen, die aus humanitären Gründen Wirtschaftshilfe fordern, zu denken geben, dass es Entwicklungshilfe bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt und dies keinesfalls zu einer Reduzierung von Armut und Hunger beigetragen hat.

Im Gegenteil die Zahl der Flüchtlinge ist seit dem ständig gewachsen (ausführlich dazu: Marek Schauer / Arian Schiffer-Nasserie, 99 ZU EINS) Wo schon in den Metropolen des Kapitalismus wachsende Armut zu verzeichnen ist, produziert die Einbeziehung afrikanischer oder asiatischer Länder dort ebenfalls entsprechende Armutsverhältnisse, die sich in wachsenden Flüchtlingszahlen niederschlagen: „Auch die meisten afrikanischen Länder erkennen die Notwendigkeit, über den Tellerrand ihrer oft schwach entwickelten Binnenmärkte zu schauen. So überrascht es kaum, so dass fast alle Länder SSAs (Ländergruppe Subsahara-Afrikas) inzwischen der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten sind und dort ein Viertel aller Mitglieder stellen. De facto ist die Rechnung für die Staaten südlich der Sahara jedoch bislang kaum aufgegangen.

Die lange vorherrschende Annahme, dass sie ihren Standortvorteil nutzen und sich auf den Export von Rohstoffen, Agrargütern und arbeitsintensiven Produkten spezialisieren sollten, ist der Erkenntnis gewichen, dass diese Strategie kaum langfristige Perspektiven bietet, um den Teufelskreis breiter Armut, Beschäftigungslosigkeit und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu durchbrechen.“ (German Institut for Global and Area Studies). Was dort als Strategie besprochen wird, ist durchaus Praxis. Der Export von Rohstoffen bedeutet aber immer auch, dass die Flächen, wo diese abgebaut werden, für diesen Zweck freigemacht werden müssen, und zwar von den Bewohnern oder Nutzern dieser Flächen. Schliesslich handelt es in Afrika nicht um einen leeren Kontinent, sondern diente weitgehend den Menschen als ihre Subsistenzwirtschaft und sei es auch nur als gelegentliche Nutzung durch Nomaden. Wenn dort Flächen für Rohstoffabbau, Agrargüter wie Blumen und Gemüse für den europäischen Markt und nun auch noch für die Herstellung von grünem Wasserstoff im grossen Stil genutzt werden, dann beinhaltet dies immer auch Vertreibung von Menschen aus diesen Gegenden. Diese finden sich dann oft in wüstenähnlichen Regionen wieder, die sie kaum oder gar nicht ernähren oder in Lagern der UN. Dieser Sachverhalt taucht dann in der Presse gelegentlich als Resultat von Dürre und Naturkatastrophen auf, statt als Ergebnis der erfolgreichen Einbeziehung dieser Länder in den Weltmarkt, der allenfalls den Regierungscliquen in den Hauptstädten Reichtum verschafft. Zudem schafft die Vertreibung von Leuten von ihrer Lebensgrundlage ein Heer von Billigarbeitskräften, von denen es allerdings weltweit im Überfluss gibt, so dass kaum ein Staat darauf seine Herrschaft gründen kann.

Die Täter als Opfer

Wenn Politiker über die wachsenden Flüchtlingsströme klagen, die inzwischen überwiegend als illegale Migranten bezeichnet werden, dann präsentieren sie sich als die Opfer einer Entwicklung, die das Ergebnis ihrer langjährigen Handels-, Wirtschafts- und Militärpolitik ist. Schliesslich haben sie mit Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen EU und Afrika für den Zustand gesorgt, dass viele Menschen aus der Region die Flucht ergreifen und auf ein Auskommen in den Metropolen des Kapitalismus setzen. Denn die gleiche Entwicklung wie in Europa findet auch in den USA statt, die erfolgreich ihren Hinterhof Mittel-und Lateinamerika ruiniert hat. Zu den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen kommen die Opfer der vielen Kriege des Westens wie auf dem Balkan und im Nahen – und mittleren Osten sowie in Afrika.

So bleibt der Politik das Thema Flüchtlinge und Ausländer erhalten und Nationalisten können sich durch die Präsenz von Ausländern durch ihre eigene Regierung vernachlässigt sehen. Ganz so als ob das Augenmerkt der Politiker auf der Pflege von Ausländern und nicht auf der Pflege von Wirtschaftswachstum und Wachstum militärischer Macht in der Welt gerichtet wäre.

Suitbert Cechura